900 Jahre Geschichte
Stift Obernkirchen
2017 feierte das Stift Obernkirchen sein 850-jähriges Bestehen, es bezieht sich dabei auf eine Urkunde des Bischofs Wernher von Minden vom 10. Februar 1167. Damals gegründet als Augustiner-Chorfrauenstift lebten Frauen in größerer Selbständigkeit, legten kein klösterliches Gelübde ab, sondern unterwarfen sich dem Kanon der Augustiner-Regeln. Nach außen wurde das Stift durch einen Propst repräsentiert, nach innen durch eine Priorin, beide wurden von den Kanonissen frei gewählt. Die reiche Ausstattung des Stifts mit Land und Gütern bescherte dem Ort Obernkirchen schon im 12. Jahrhundert Marktrechte. Der Propst, der für die äußere Verwaltung zuständig war, hatte die Herrschaftsrechte über den Ort und Besitztümer in größerem Umkreis und verfügte damit über eine beträchtliche Machtfülle. Die Größe der Kirche spiegelte ihre Bedeutung wider, außerdem war sie in der frühen Zeit Grablege des jeweiligen Herrscherhauses.
Im 13. Jahrhundert erhielt sie eine Marienstatue, der wundertätige Kräfte zugesprochen wurde. So entwickelte sich Obernkirchen zu einem viel besuchten Wallfahrtsort. Infolge eines Brandes wurde die Kirche im 14. Jahrhundert weitgehend zerstört. Nach ihrem Wiederaufbau konnte sie 1355 erneut geweiht werden. Die romanische Basilika war einer gotischen Hallenkirche gewichen.
Besonders im norddeutschen Raum verbreitete sich im 15. Jahrhundert die neue Frömmigkeitsbewegung der „devotio moderna“, der sich die Frauen im Stift anschlossen. Unter der Priorin Helene von Bennigsen wurde die ganze Anlage des Stifts aufgestockt und ausgebaut zum heutigen Erscheinungsbild.
Der Reformation widersetzten sich die Stiftsdamen unter dem damaligen Propst Kostgen vehement, so dass erst 1565 nach seinem Tod durch den damaligen Landesherrn Graf Otto IV. der neue Glaube durchgesetzt werden konnte. Propsteigüter wurden eingezogen, der Propst durch einen Amtsmann ersetzt, das Stift in ein evangelisches adeliges Damenstift umgewandelt.
Nach dem 30-jährigen Krieg wurden Stadt, Stift und Klosteramt der hessischen Landesherrschaft zugeschlagen, der Status wurde nicht angetastet. Seitdem fanden nun auch hessische Adelige Aufnahme im Stift.
Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts Obernkirchen als hessische Exklave dem französischen Königreich Westfalen zugehörte, schienen die Tage des Stifts gezählt. König Jerome, der in Kassel residierte, ließ das Stift im Jahr 1810 auflösen. Es wurde jedoch nach der Rückkehr des Fürsten von Hessen 1814 mit allen Rechten wieder eingesetzt. Nachdem das Stift 1866 preußisch und 1932 Teil der Provinz Hannover geworden war, gelangte die Rechtsaufsicht 1946/49 an die Klosterkammer Hannover.
Von 1901 bis 1970 war im Stift, im Besonderen im leerstehenden Westflügel, eine Schule für ländliche Hauswirtschaft, später Landfrauenschule, des Reifensteiner Verbandes untergebracht.
1167 Um einer bereits vorhandenen frommen Gemeinschaft von Frauen eine Ordnung zu geben, gründete Bischof Werner aus Minden ein Augustiner-Chorfrauenstift und unterstellte es der Leitung eines Propstes. Obwohl es offiziell ein klösterlich reguliertes Stift war, behielten die Schwestern ihre Rechte als Stiftsdamen. Eine ihrer Aufgaben war, Mädchen der höheren Stände zu unterrichten. Zugleich wurde mit dem Bau der ersten – romanischen – Stiftskirche begonnen.
1180 schenkte Graf Hermann von Arnheim dem Stift den Platz der ehemaligen Bückeburg.
1181 Kaiser Friedrich I. Barbarossa verlieh Obernkirchen das Marktrecht; über den Marktflecken herrschte der Propst. Die Einwohner wurden Leibeigene des Stiftes – und blieben es bis 1565!
Im 13. Jahrhundert entwickelte sich eine blühende Wallfahrt zu einer wundertätigen Marienstatue in der Stiftskirche, nach der die Kirche auch den Namen „St. Marien“ erhielt.
1329 machte ein verheerender Brand einen Kirchenneubau nötig, der 1355 im Wesentlichen abgeschlossen war. Dieser Neubau ist in der heutigen gotischen Hallenkirche erhalten.
1492 setzte Bischof Heinrich v. Minden mit seiner Visitation („Besichtigung“ zum Zwecke der Disziplinierung) eine klösterliche Ordnung durch. Die Freiheit des persönlichen Eigentums wurde aufgehoben, und es wurden strikte Regeln eingeführt, wozu auch die Klausur, die Abgeschlossenheit der Stiftsdamen hinter Klostermauern, gehörte.
1560 wurde dem Kloster die Reformation aufgezwungen; die Grafen von Schaumburg brauchten aber sechs Jahre, bis sich die Nonnen fügten und den lutherischen Gottesdienst von ihrer Prieche herab nicht mehr störten („Hei lücht“ – er lügt – fuhren sie dem Pastor in die Predigten). Das Kloster wurde in ein adliges evangelisches Damenstift umgewandelt – der Adel wollte unverheiratete Töchter und Witwen versorgt sehen. Statt der Priorin, die – dem Propst untergeordnet – den Nonnen vorstand, wurde eine Äbtissin als Oberhaupt eingesetzt.
1565 war für die Obernkirchner die Leibeigenschaft zu Ende. Die Stiftskirche wurde – mit Ausnahme der Stiftsprieche und des westlichen Eingangs – evangelisch-lutherische Gemeindekirche.
1615 Fürst Ernst von Schaumburg-Holstein zweigte einen Teil des Propsteivermögens ab, um die Universität Rinteln zu finanzieren.
1647 Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges fiel das Stift an die Landgrafen von Hessen. Die gewählte Äbtissin wurde jetzt auch für die wirtschaftliche Verwaltung verantwortlich.
1786 Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel verlieh dem Stift einen eigenen Orden – den Stiftsorden. Seine Aufschrift: „In Deo et Virtute“ – übersetzt etwa „Mit Gott und in Tugend“.
1810 Das von Napoleon I. als Vasallenstaat geschaffene Königreich Westphalen setzte 1806 auf hessische Kosten neue Grenzen und schloss für einige Jahre Obernkirchen mit ein. Seinen Bruder Jerôme setzte Napoleon als König ein. Dieser löste das Stift 1810 auf, doch 1814 stellten es die hessischen Kurfürsten wieder her.
1866 Nachdem die preußische Armee die deutsche Landkarte bereinigt hatte, kam das Stift zusammen mit Kurhessen zum Königreich Preußen.
1901 Der Reifensteiner Verband (www.reifensteiner-verband.de/ Obernkirchen.pdf) gründete 1901 eine wirtschaftliche Frauenschule, später Landfrauenschule, in der Stiftsanlage. Bis 1971 nutzten die Maiden der Schule die meisten Gebäude einschließlich Gärten.
1932 Der hessische Kreis Grafschaft Schaumburg wurde an die preußische Provinz Hannover angeschlossen, mit ihm Obernkirchen und das Stift.
1946 Das neu geschaffene Land Niedersachsen umfasste Teile des aufgelösten Preußen; ein niedersächsischer Landeskommissar, zugleich Präsident der Klosterkammer Hannover, übernahm die staatliche Aufsicht über das Stift. Die Klosterkammer ist eine Landesbehörde im Geschäftsbereich des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur. Sie wurde 1818 gegründet und verwaltet mehrere aus der Reformation hervorgegangene öffentlich-rechtliche Stiftungen.
1962 An Stelle eines Stiftsamtmanns als satzungsgemäßem Oberhaupt übernahm die Äbtissin neben der geistlichen Leitung auch die rechtliche Vertretung des Stiftes. Stiftsdamen mussten nicht mehr adlig sein.
Innenhof der Kirche
Wetterfahne mit Marienliliensymbol